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CSRD-Umsetzung nach dem Ampel-Aus

Nach dem Bruch der Ampelkoalition ist fraglich, ob die CSRD noch in diesem Jahr und in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Zugleich wird auf europäischer Ebene eine Reduktion und Vereinfachung von Berichtspflichten für Unternehmen angekündigt. So groß die Unsicherheit derzeit auch ist, sollten Unternehmen Bemühungen zur Vorbereitung auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht aufschieben oder einstellen. Denn abgeschafft werden die Berichtspflichten nach den Ankündigungen von Europäischem Rat und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen keineswegs.

  • Dr. Lorenz Müller
  • Dr. Thomas Asmus
December 4, 2024

Die politische Ausgangslage in Deutschland

Nach dem Bruch der Ampelkoalition ist die Umsetzung der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD – Corporate Sustainability Reporting Directive) noch in diesem Jahr unsicher. Ob eine Mehrheit für das Gesetz zustande kommt, ist ungewiss. „Die Union wird diesem Gesetzesvorschlag nicht zustimmen”, erklärte der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Günther Krings, nach Medienberichten. Da schon die Richtlinie verfehlt sei, „sollte die Bundesregierung schleunigst ihrer Verantwortung für Deutschland nachkommen und eine Aussetzung und Abschaffung oder zumindest eine grundlegende Revision der CSR-Richtlinie erwirken.” Dafür bestehe gerade nun zu Beginn der neuen Brüsseler Legislaturperiode die Gelegenheit.

Ob die FDP bei diesem Gesetz noch einmal mit ihren ehemaligen Koalitionspartnern stimmen wird, ist fraglich. Zwar hat der – aus der FDP ausgetretene – neue Justizminister Volker Wissing, der das Amt zusätzlich zum Amt des Ministers für Verkehr und Digitales übernommen hat, empfohlen, das CSRD-Umsetzungsgesetz noch zu verabschieden. Der ehemalige FDP-Justizminister Buschmann hatte das Gesetz aber erkennbar nur widerwillig entwerfen lassen und den Entwurf des Umsetzungsgesetzes erst vorgelegt, nachdem, die Umsetzungsfrist Anfang Juli 2024 bereits abgelaufen war. Ende September 2024 bei einer Veranstaltung der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK) erklärte er: „Meiner Meinung nach müssen wir den Zeitraum bis zur vollständigen CSRD-Umsetzung nutzen, um nochmal nachzuverhandeln.“ Und in dem sogenannten „Lindner-Papier“, in dem der damalige Finanzminister die Ampelkoalition zu einer wirtschaftspolitische Grundsatzentscheidung aufgefordert hatte, heißt es sogar, Deutschland solle „in der EU und gegenüber der EU-Kommission die Abschaffung der zusätzlichen Berichts- und Nachweispflichten aus dem „Green Deal“ bewirken.“

Medienberichten zufolge hat sich der zuständige Berichterstatter der FDP-Fraktion im Rechtsausschuss, Otto Fricke, gleichwohl zu Gesprächen über die Umsetzung der CSRD bereit gezeigt.

Entwicklungen auf europäischer Ebene

Zugleich zeigen die nicht nur in Deutschland erhobenen Forderungen nach einer Vereinfachung der Berichtspflichten auf europäischer Ebene Wirkung: Der Europäische Rat kündigte in seiner Erklärung von Budapest zum Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit vom 8. November 2024 an,

einen „revolutionären Vereinfachungsprozess“ einzuleiten, „der für einen klaren, einfachen und intelligenten Regelungsrahmen für Unternehmen sorgt und den Verwaltungs-, Regulierungs- und Meldeaufwand, insbesondere für KMU, drastisch verringert – wir müssen eine befähigende, auf Vertrauen basierende Denkweise einnehmen, die es Unternehmen ermöglicht, sich ohne übermäßige Regulierung zu entfalten. Zu den wichtigsten Zielen, die die Kommission unverzüglich umsetzen muss, zählen, im ersten Halbjahr 2025 konkrete Vorschläge zur Verringerung der Berichtspflichten um mindestens 25 % vorzulegen sowie in ihre Vorschläge auch Folgenabschätzungen in Bezug auf übermäßige Verwaltungslasten und Wettbewerbsfähigkeit aufzunehmen.“

Entsprechend erklärte Kommissionspräsidentin von der Leyen nach dem EU-Gipfeltreffen in Budapest, die Substanz der Regulierung in CSRD, Taxonomie-Verordnung und CSDD sei gut und werde bewahrt, müsse aber vereinfacht und von Redundanzen befreit werden.

Konsequenzen

Solange die CSRD nicht umgesetzt wird, gilt weiterhin der bestehende Rechtsrahmen. Berichtspflichtig sind dann nur die Unternehmen, die unter die Non-Financial Reporting Directive (NFRD) fallen, die 2017 unter die durch das CSR-Richtlinienumsetzungsgesetz in deutsches Recht überführt worden ist. Denn auch die CSRD gilt als EU-Richtlinie in den Mitgliedsstaaten nicht unmittelbar, sondern muss in nationales Recht umgesetzt werden. Geschieht dies nicht, besteht keine Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung im Sinne der Richtlinie. Das wird von einem vom Berufsverband der Wirtschaftsprüfer (IDW) in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigt. Eine solche Verpflichtung folge auch nicht aus den auf der Grundlage der CSRD erlassenen Berichtsstandards (ESRS – European Sustainability Reporting Standards). Diese gelten als Verordnung zwar unmittelbar, bedürfen also keiner Umsetzung. Sie begründen aber keine Berichtspflicht.

Wird die CSRD in diesem Jahr nicht mehr umgesetzt – die letzte Sitzungswoche des Deutschen Bundestages in diesem Jahr endet am 20. Dezember –, bleibt es für das Berichtsjahr 2024 bei dieser Rechtslage. Die rückwirkende Anwendung eines Gesetzes auf ein abgeschlossenes Geschäftsjahr wäre verfassungswidrig. Es würde sich um einen Fall sogenannter echter Rückwirkung handeln, die nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig ist. Ein solcher Fall liege hier nicht vor, stellt das IDW-Gutachten fest. Zulässig wäre die Rückwirkung nur, wenn das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft tritt.

Keineswegs abwegig dürfte die Annahme sein, dass ein Gesetz zur Umsetzung der CSRD in Deutschland in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet wird. Damit unterfiele der Gesetzentwurf dem Grundsatz der Diskontinuität (§ 125 Geschäftsordnung des Bundestages). Ein ggfs. neuer Gesetzentwurf müsste nach dem Beginn der kommenden Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht werden, der nach den bisherigen Planungen (Wahlen am 23. Februar 2025) nach Art. 39 Abs. 2 Grundgesetz spätestens in der letzten Märzwoche 2025 konstituiert werden muss. Da Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung deutlich länger dauern könnten und üblicherweise erst nach deren Abschluss weitere Vorbereitungen (z.B. Konstituierung von Ausschüssen) noch folgen, ist die volle Arbeitsfähigkeit von Regierung und Parlament möglicherweise erst entsprechend später gegeben.

Fazit

Dass die CSRD voraussichtlich in diesem Jahr nicht mehr umgesetzt wird, dürfte vor allem für die etwa 500 Unternehmen problematisch sein, die nach der CSRD bereits über das Geschäftsjahr 2024 berichten müssen. Das sind insbesondere sehr große und börsennotierte Unternehmen sowie bestimmte Banken und Versicherungen. Zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 16. Oktober hat der Verband der Chemischen Industrie die Regulierung kritisiert, aber auch geschrieben:

„Gleichzeitig ist es aber essenziell, dass für Unternehmen, die bereits nach der NFRD berichtspflichtig sind, keine zusätzliche Rechtsunsicherheit etwa durch eine Verschiebung der nationalen Umsetzung der CSRD geschaffen wird. Denn die 2 betroffenen „Erstanwender“ bereiten sich seit rund zwei Jahren mit erheblichem Aufwand auf die Anwendung der ESRS als relevante Berichtsstandards der CSRD vor. Das bedeutet, dass die internen Datenerhebungssysteme und Definitionen zu Metriken vielfach bereits vollumfänglich auf die ESRS-Anforderungen umgestellt sind. Ein Wieder Zurück zu den „anerkannten Rahmenwerken“ nach der NFRD wie z. B. die freiwilligen Standards der Global Reporting Initiative (GRI) sind daher faktisch kaum mehr möglich.“

Nach dem zitierten IDW-Gutachten können die ESRS dagegen durchaus als „anerkanntes Rahmenwerk“ im Sinne von § 289b HGB angesehen werden, so dass der beklagte Aufwand möglicherweise nicht völlig vergeblich war.

Begrüßt werden dürfte die Entwicklung von vielen der etwa 15000 kleineren Unternehmen, die nach der CSRD erst über das Geschäftsjahr 2025 berichten müssten. Zwar können sie noch durch eine im kommenden Jahr in Kraft tretende Regulierung für dieses Geschäftsjahr zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet werden. Wenn die vielfach geforderten und schon begonnenen Verhandlungen mit der EU in diesem Zeitraum tatsächlich zu dem angestrebten Ergebnis führen, würden die entsprechenden Regeln aber deutlich einfacher sein, als sie unter den Regime der ESRS derzeit noch sind.

Zu diesen Änderungen wäre es vermutlich auch ohne das vorzeitige Aus der Ampelkoalition gekommen. Sie hatte bereits in Ihrer am 5. Juli 2024 bekannt gemachten Wachstumsinitiative angekündigt, sie werde sich „bei der Europäischen Kommission dafür einsetzen, die sehr umfangreichen Vorgaben zum Inhalt der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD deutlich zu reduzieren“. Und Wirtschaftsminister Robert Habeck vertrat Anfang Oktober beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) auch mit Blick auf die die Nachhaltigkeitsberichterstattung sogar die Auffassung, man sei bei den Berichtspflichten für Unternehmen trotz guter Intentionen „völlig falsch abgebogen“ und zog die Möglichkeit in Betracht, „die Kettensäge anzuwerfen und das ganze Ding wegzubolzen“.

Bevor es zu Änderungen auf europäischer Ebene kommt, ist Deutschland allerdings verpflichtet, die CSRD in der jetzigen Form umzusetzen. Der weitere Verlauf des von der EU-Kommission am 26. September 2024 gegen Deutschland und sechzehn weitere Mitgliedsstaaten eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren bleibt abzuwarten. Auch Anfang Dezember hatten zahlreiche Mitgliedsstaaten der Kommission noch keine Umsetzungsschritte mitgeteilt, darunter neben Deutschland auch Spanien, die Niederlande, Österreich, Polen und Portugal.

Unternehmen, die berichtspflichtig bleiben oder voraussichtlich sein werden, sollten die politische Entwicklung daher nicht zum Anlass nehmen, geplante Vorbereitungen aufzuschieben oder einzustellen. Auch wenn die CSRD nicht in ihrer jetzigen Form umgesetzt werden sollte, werden die Bestimmungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der Erklärung des Europäischen Rates und den Ankündigungen von Kommissionspräsidentin von der Leyen nicht abgeschafft, sondern lediglich vereinfacht. Die durch eine Nichtumsetzung der CSRD möglicherweise gewonnene Zeit sollte genutzt werden, sich auf die dadurch entstehenden Herausforderungen einzustellen. Das gilt umso mehr, als die Berichtspflichten keineswegs nur Selbstzweck sind, sondern Nachhaltigkeitsinformationen auch etwa für die Kreditvergabe relevant sind. Nicht zuletzt können sie den Unternehmen auch dabei helfen, ihre Geschäftsmodelle zu transformieren und so ihre Zukunft zu sichern.

 

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