NACHHALTIGKEITSPFLICHTEN DES VORSTANDS UND AUFSICHTSRATS

Der EU-Gesetzgeber will Unternehmen nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern durch „nudging“ zu vermehrter Nachhaltigkeitsaktivität motivieren. Einen Schritt weiter geht der deutsche Gesetzgeber für Unternehmen im Bundesbesitz. Wo die Gesetzgeber ansetzen und welche Fragen und Aufgaben sich für Vorstand und Aufsichtsrat hieraus ergeben, wird hier kurz zusammengefasst.
Nachhaltigkeitsrisiken von Unternehmen angemessen zu managen, wird eine zunehmend komplexe Aufgabe. Die Anforderungen an ESG-Analyse, -Transparenz, -Strategie und -Execution nehmen zu. Nachfolgend soll in aller Kürze aufgezeigt werden, was Unternehmen – Vorstand und Aufsichtsrat – im Blick haben müssen.
I. Nachhaltigkeitsrisiken
Unternehmen bzw. deren Organe sollten insb. folgende ESG-Risiken des Unternehmens im Blick haben:
- Druck der Kapitalinvestoren: Eine zunehmende Anzahl von institutionellen Investoren unterzeichnet freiwillig die „Principles for Responsible Investments“ der Vereinten Nationen. Zunehmend favorisieren institutionelle und private Investoren beim Portfolioaufbau nachhaltige Investments. Dieser Trend wird durch verschiedene gesetzliche Vorgaben weiter gefördert: Institutionelle Investoren werden verstärkt zur Steuerung der ESG-Risiken und ESG-Berichterstattung verpflichtet, private Investoren müssen bei der Anlageberatung nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen gefragt werden. Die EU verspricht sich hierdurch einen „Schubs“ zu mehr nachhaltigen Investitionen. Kapitalmarkt-orientierte Unternehmen müssen diese Entwicklung im Auge behalten, damit sie hinreichend liquide und „im Markt“ bleiben.
- Verteuerung der Finanzierung: Banken müssen ihre ESG-Risiken aktiv steuern. Die Europäische Zentralbank hat gerade für ein Großteil der von ihr beaufsichtigten Institute festgestellt, dass die Steuerung der Klimarisiken noch unzureichend ist. Die European Banking Authority erwartet, dass ESG-Risiken bei mittleren und großen Banken und Wertpapierinstituten bei der aufsichtlichen Prüfung berücksichtigt werden. Eine unzureichende Risikosteuerung kann somit zu zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen bei den Instituten führen. Banken werden daher bei Finanzierungsentscheidungen verstärkt auf ESG-Risiken achten und für hohe ESG-Risiken einen Zuschlag fordern. Es droht Unternehmen ggf. eine Erhöhung ihrer Finanzierungskosten.
- Compliance-Anforderungen: Die gesetzlichen Anforderungen an die ESG-Compliance nehmen zu und müssen in die bestehenden Strukturen der Compliance-Organisation integriert werden. Neben punktuellen Erweiterungen, die auf unterschiedliche Gesetze verteilt sind, stehen zurzeit insbesondere die Regeln zu den Lieferkettensorgfaltspflichten im Fokus. Hier ist zukünftig eine Human Rights Due Dilligence erforderlich.
- Kunden: Besonderes Augenmerk gilt bei der Entwicklung von ESG-Strategien auch den Kunden des Unternehmens. Weil die Transparenzanforderungen an den eigenen ESG-Status vereinheitlicht und verschärft werden, stellt sich die Frage der Reaktion der eigenen Kunden, wenn das Unternehmen ein erheblich schlechteres ESG-Bild abgibt als seine Wettbewerber. Besteht die eigene Unternehmerleistung in einer Zulieferung, prägt diese Leistung auch den ESG-Status des Kunden, sodass ein doppeltes Risiko zu managen ist.
- Subventionen und Wettbewerbsfähigkeit: Deutscher und Europäischer Gesetzgeber haben – offenbar vor allem mit Blick auf das kürzlich verabschiedete US-Klimapaket – umfangreiche Subventionen für ESG-Investitionen der Industrie angekündigt. Die Inanspruchnahme erheblicher Subventionen dient der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und löst entsprechende strategische Überlegungen aus.
- Klagerisiken: Die Anzahl der ESG-Klagen wächst beständig und richtet sich zunehmend gegen Unternehmen. Zum Teil zielen Klagen darauf ab, dass Unternehmen für kollaterale Schäden ihrer Tätigkeiten, z.B. ihre CO2-Emissionen, haften sollen. Immer häufiger wird versucht, direkt Einfluss auf das zukünftige Geschäftsmodell zu nehmen. Dafür erwerben NGOs Aktien am Unternehmen, um als Aktionär wegen einer unzureichenden ESG-Strategie den Vorstand zu verklagen. Ferner werden nicht ausreichend belegbare ESG-Versprechen (z.B. „Klimaneutralität) von Unternehmen (wettbewerbs-) rechtlich als „Greenwashing” angegriffen. Die Klageabwehr ist aufwendig und kann zu Reputationsschäden führen.
- Klimarisiken: Bestimmte Unternehmen sind bereits heute unmittelbar von Klimarisiken betroffen, z.B. (Rück-) Versicherer. Auf Seite der Versicherungsnehmer stellt sich insbesondere die Frage, ob und welche Klimarisiken für das Unternehmen bestehen und ob bzw. wie sie zu versichern sind (Stichwort „Starkregen“).
- Organhaftungsrisiken: Weil die beschriebenen ESG-Risiken (und Chancen) Unternehmen vermehrt vor mehr oder weniger komplexe Aufgaben stellen, wird der Vorstand eher früher als spät eine geeignete ESG-Strategie entwickeln müssen. Dabei stellt sich in jedem konkreten Fall die bislang rechtlich leider noch unzureichend geklärte Frage seines zulässigen Handlungsrahmens, insbesondere der Beachtung des Unternehmenszwecks und der Business Judgement Rule bei der Integration von ESG-Zielen in die eigene unternehmerische Tätigkeit. Dem Aufsichtsrat fällt hierbei ebenfalls eine gesteigerte Kontrollfunktion zu.
II. Transparenzpflichten
Vom Lagebericht mit ungeprüfter nichtfinanzieller Erklärung zum geprüften Nachhaltigkeitsbericht
Für sämtliche großen (§ 267 Abs. 3 HGB) und kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften gilt zunächst, dass sie im Lagebericht nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, wie Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind, in die Analyse einzubeziehen haben.
Große Kapitalgesellschaften, die kapitalmarktorientiert sind und mindestens 500 Mitarbeiten beschäftigen, haben zudem den Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu ergänzen oder einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht offenzulegen, für den insbesondere § 289c Abs. 2 und 3 AktG spezifische Erklärungen zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen, Aspekten der Menschenrechte und der Bekämpfung von Korruption und Bestechung vorsieht und für deren oder dessen Erstellung die EU-Kommission unverbindliche Leitlinien publiziert hat. Einer Prüfung durch den Abschlussprüfer unterliegt diese Berichterstattung bislang nicht.
Die jüngst verabschiedete (neue) Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sieht einen Ausbau des Lageberichts zu einer umfassenden „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ vor. Ihr Anwendungsbereich wird wesentlich erweitert, so dass zukünftig alle großen Unternehmen mit mind. 250 Mitarbeiter sowie börsennotierte KMUs berichtspflichtig werden. Auch nichteuropäische Unternehmen können unter bestimmten Voraussetzungen betroffen sein. Für diesen Bericht wird eine partielle Prüfungspflicht durch den Abschlussprüfer eingeführt.
Vor allem zielt die CSRD auf Vereinheitlichung der Methodik der Berichterstattung ab. Die Europäische Beratergruppe für Rechnungslegung (EFRAG) hat detaillierte Entwürfe für diese Standards ausgearbeitet, die über die bisherigen Marktstandards deutlich hinausgehen. Danach steht vor allem fest, dass berichtspflichtige Unternehmen zukünftig nicht wie bislang vor allem Umwelteinwirkungen auf das Unternehmen beschreiben müssen, sondern dezidiert die Auswirkungen der Tätigkeit des Unternehmens auf Umwelt und übrige ESG-Faktoren zu analysieren und darzustellen haben (Inside-Out statt
Outside-In). Daneben müssen sie darüber berichten, wie Geschäftsmodell und Unternehmensstrategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius (Pariser Klimaziele) vereinbar ist.
Die Erweiterung des Anwendungsbereichs hat Auswirkungen auf die Berichtspflichten nach der EU-Taxonomie-VO. Die berichtspflichtigen Unternehmen müssen zukünftig auch ermitteln, ob ihre Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig i.S.d. TaxonomieVO anzusehen sind und eine entsprechende Taxonomie-Quote für ihren Umsatz und ihre Investitionen offenlegen.
Die Umsetzungsfrist der CSRD für die Mitgliedstaaten beträgt 18 Monate. Die Anwendung soll in vier Schritten erfolgen:
- Unternehmen, die bereits nichtfinanzielle Informationen veröffentlichen müssen, werden im Jahr 2025 über das Geschäftsjahr 2024 Bericht erstatten;
- große Unternehmen, die derzeit keine nichtfinanziellen Informationen veröffentlichen müssen, werden im Jahr 2026 über das Geschäftsjahr 2025 Bericht erstatten;
- börsennotierte KMU (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen), kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen werden im Jahr 2027 über das Geschäftsjahr 2026 Bericht erstatten;
- die erfassten Unternehmen aus Drittländern werden im Jahr 2029 über das Geschäftsjahr 2028 Bericht erstatten.
Weitere Offenlegungspflichten ergeben sich z.B. für Vermögensverwalter aus §§ 134b und 134c AktG und der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR).
DCGK
Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) enthält in Form von Empfehlungen und Anregungen international und national anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. Gemäß § 161 Abs. 1 S. 1 AktG haben bestimmte Unternehmen Bericht darüber zu erstatten, inwieweit sie von der Einhaltung des DCGK abgesehen haben. Während im DCGK bislang ESG-Aspekte zwar angesprochen, aber nicht einer comply or explain Regel unterworfen wurden, sieht der am 17.06.2022 in Kraft getretene neue DCGK spezifische Empfehlungen vor:
- Der Vorstand soll bei der Leitung soziale und ökologische Risiken sowie die entsprechenden Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit des Unternehmens systematisch identifizieren und bewerten,
- die Unternehmensstrategie soll wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele angemessen berücksichtigen, und
- die Unternehmensplanung soll neben finanziellen auch „nachhaltigkeitsbezogene Ziele“ umfassen.
- Die Überwachung und Beratung des Aufsichtsrats soll insbesondere auch Nachhaltigkeitsfragen umfassen. Um dies zu gewährleisten, soll bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats auf ein Kompetenzprofil des Aufsichtsrats geachtet werden, das auch Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen umfasst.
Der Vorsitzende des Prüfungsausschusses soll über Sachverstand jedenfalls entweder auf dem Gebiet der Nachhaltigkeitsberichterstattung oder deren Prüfung verfügen.
Mehr zum DCGK gibt es im Blog-Beitrag “Sein oder Schein? Ökologische und soziale Nachhaltigkeit im neuen DCGK 2022” von Dr. Bastian Brunk.
III. Nachhaltigkeit bei der unternehmerischen Zweckverfolgung
Berücksichtigung von ESG-Zielen im Allgemeinen
Während die Anforderungen an die Darlegung des ESG-Status‘ des Unternehmens fortwährend erhöht und methodisch vereinheitlicht werden, sind ESG-Ziele für gewöhnlich kein Bestandteil des Unternehmenszwecks, wie ihn die übliche AG-Satzung festlegt. Der Unternehmenszweck bildet den Rahmen, innerhalb dessen das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit entfaltet. Es beschreibt zugleich die Grenzen, innerhalb derer die Organe die Geschäfte der Aktiengesellschaft zu betreiben haben. Gemeinhin wird eine gemeinnützige, nicht dem Ertragsinteresse oder unmittelbar den sonstigen Gesellschaftsinteressen dienende Tätigkeit nur in geringem Umfang und darüber hinaus nur dann als zulässig angesehen, wenn sie jedenfalls mittelbar die unternehmerischen und damit ertragsorientierten Ziele der Gesellschaft fördert.
Signifikante Investitionen des Unternehmens in ESG-Ziele ohne Änderung der Satzung sind daher begründungsbedürftig und müssen jedenfalls mittelbar auf die Ertragsaussichten des Unternehmens einzahlen:
- ESG-Investitionen können der Kurspflege und der Aufrechterhaltung des Zugangs zum relevanten Markt der Kapitalinvestoren dienen.
- Investitionen in ESG-Ziele können die Fremdkapitalkosten vermindern.
- Die Förderung von Arbeitnehmer- und Sozialbelangen kann erforderlich sein, um den Zugang zum Arbeitnehmermarkt zu erhalten und eine ausreichende Belegschaft zu gewährleisten.
- Investitionen in die Einhaltung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung in den Wertschöpfungs- und Lieferketten des Unternehmens kann Rechts- und Reputationsrisiken vermeiden und der Kundenpflege dienen.
- Investitionen in ESG-Ziele kann Klagerisiken des Unternehmens (z.B. durch Umweltverbände) reduzieren.
- Investitionen in ESG-Ziele kann zur Aufrechterhaltung der Kundenbeziehungen unerlässlich oder nützlich sein.
- Die Inanspruchnahme von Subventionen für ESG-Investitionen dient der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und kann Ermessensspielräume für ESG-Strategien erheblich einschränken.
Soweit die Nachhaltigkeitsberichterstattung als Informationsvehikel und -begründung für ESG-Investitionen eingesetzt werden soll, um einen „return on green invest“ zu erzielen, ist allerdings Vorsicht geboten. So ist die EU-Kommission der Auffassung, dass es beispielsweise bei der umweltfreundlichen Gestaltung der Büro- oder IT-Nutzung oder beim verstärkten Verzicht auf Dienstreisen mangels „Wesentlichkeit“ an einer Voraussetzung für eine Nachhaltigkeitsinformation fehlen kann.
Man kann daher sagen: EU- und nationaler Gesetzgeber sehen bislang davon ab, den Unternehmenszweck privater Unternehmen mit gesetzlichen Mitteln (d.h. auch ohne Satzungsänderung) mit ESG-Zwecken anzureichern (anders für Bundesbeteiligungen, dazu sogleich). Das führt dann zu Schwierigkeiten, wenn und soweit ESG-Ziele in einem unauflösbaren Gegensatz zu den finanziellen Gesellschaftsinteressen stehen, etwa wenn das Geschäftsmodell des Unternehmens gerade in der Entfaltung emissionsrelevanter Aktivitäten besteht (z.B. fossile Automobilität, konventionelle Energieerzeugung, Luftfahrt, Zementindustrie) oder auf der Ausnutzung von Kostenvorteilen in Niedriglohnländern mit geringem Arbeits- und Menschenrechtsschutz besteht. Es ist in diesen Fällen die Aufgabe des Vorstands, eine ggf. langfristige Strategie zu entwickeln, die den ESG-Status erheblich verbessert, ohne die Ertragschancen des Unternehmens aus dem Auge zu verlieren oder gar hintanzustellen.
Zwingend zu beachten hat dabei jede Gesellschaft freilich die Einhaltung von öffentlich-rechtlichen Verbots- oder Gebotsnormen. Ebenso wie bei den Berichtspflichten, erlassen EU- und nationaler Gesetzgeber im Bereich der ESG-Regulierung laufend weitere und strengere Gesetze, an die sich Unternehmen zu halten haben. Zu nennen ist hier insbesondere das ab dem 1. Januar 2023 zu beachtende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und die EU-TaxonomieVO. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die forcierte Regulierungsarbeit der EU (Vorschläge EU-BatterieregulierungsVO, EU-KonfliktmineralienVO, EU-HolzhandelsVO sowie EU-Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (dazu sogleich).
Sonderfall: Öffentliche Unternehmen
Bei den öffentlichen Unternehmen – jedenfalls für diejenigen, an denen der Bund beteiligt ist – werden die Vorgaben indes bereits etwas konkreter. Hier will (und muss) der Bund mit gutem Beispiel vorangehen und den mitunter beschwerlichen Weg der Dekarbonisierung selbst beschreiten.
Nach § 15 Abs. 3 Klimaschutzgesetz (KSG) soll der Bund bei „seinen“ Unternehmen darauf hinwirken, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit klimaneutral organisieren. Mittel der Wahl sind die Einsparung von Energie, die Erhöhung der Energieeffizienz, die Nutzung erneuerbarer Energien und die Wahl möglichst klimaschonender Verkehrsmittel sowie ein Verzicht auf Dienstreisen. Zwar nicht ausdrücklich geregelt, aber vermutlich unverzichtbar, wird auch der Erwerb von Emissionszertifikaten zur Kompensation nicht vermeidbarer Emissionen sein.
Dementsprechend geht auch der Public Corporate Governance Kodex des Bundes (PCGK) für Unternehmen des Bundes einen großen Schritt weiter. Empfehlung 5. PCGK enthält einen umfassenden Katalog an Zielen und Maßnahmen, den die Geschäftsführungen bundeseigener Gesellschaften beachten sollen. Hierzu gehört explizit auch die Beachtung der Regelungen, wie sie in der „deutschen Nachhaltigkeitsstrategie“ und den „Sustainable Development Goals“ formuliert sind.
In der PCGK-Mustersatzung wird der jeweilige Unternehmenszweck durch folgenden Passus ergänzt:
„Bei der Verfolgung des Zwecks sollen die Grundsätze nachhaltiger Unternehmensführung angemessene Berücksichtigung finden.“
Gem. § 7.3 der Mustersatzung haben die Mitglieder der Geschäftsführung dem Aufsichtsrat regelmäßig in Textform über Maßnahmen der Geschäftsführung zur nachhaltigen Unternehmensführung sowie deren Umsetzung und den erzielten Ergebnissen zu berichten.
Gemäß Ziffer 1.3 der PCGK-Muster-Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat sind Gegenstand der Überwachungsmaßnahmen des Aufsichtsrats auch die Nachhaltigkeit der Geschäftsführungsentscheidungen. Dabei soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung eigenständig durch den Aufsichtsrat geprüft werden.
Die Gesellschafterversammlung (sprich: der Bund bzw. die jeweilige zuständige Stelle) hat danach ferner eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung zu erlassen, die u.a. folgende Pflicht der Geschäftsführung vorsieht:
„Die Geschäftsführung trägt im Rahmen des Unternehmenszwecks und des Unternehmensgegenstandes für eine nachhaltige Unternehmensführung Sorge und strebt insbesondere die klimaneutrale Organisation der Verwaltungstätigkeit der Gesellschaft an (insb. § 15 Abs. 3 Klimaschutzgesetz).“
Ausblick: CSDDD
Am 23.02.2022 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Corporate Sustainability Due Diligence Directive (E-CSDDD) veröffentlicht, der eine Vielzahl weiterer Pflichten für bestimmte Unternehmen vorsieht, nämlich für
- EU-Unternehmen, die im Durchschnitt mehr als 500 Beschäftigte haben und im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Netto-Umsatz von weltweit mehr als EUR 150 Mio. erzielen („große EU-Unternehmen“),
- EU-Unternehmen, die im Durchschnitt mehr als 250 Beschäftigte haben und im abgelaufenen Geschäftsjahr einen Netto-Umsatz von weltweit mehr als EUR 40 Mio. erzielen, wenn mehr als die Hälfte des Umsatzes aus sog. „High-Impact-Sektoren“ stammt („mittelgroße EU-Unternehmen“), und
- Nicht-EU-Unternehmen, die im vorletzten Geschäftsjahr (i) einen Netto-Umsatz von EUR 150 Mio. erzielt („große Nicht-EU-Unternehmen“) oder (ii) einen Netto-Umsatz von weniger als EUR 150 Mio. und mindestens EUR 40 Mio. erzielt haben und die Hälfte dieser Umsätze aus „High-Impact-Sektoren“ stammt („mittelgroße Nicht-EU-Unternehmen“).
Die E-CSDDD zielt u.a. darauf ab, diese Unternehmen zu erheblicher Unterstützung der EU-Klimaziele anzuhalten. Große Unternehmen haben danach sicherzustellen, dass Geschäftsmodell und Strategie des Unternehmens mit den EU-Zielen des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft und zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius (Pariser Abkommen) vereinbar sind; dafür haben sie entsprechende Pläne und – soweit erforderlich – eigene Emissionsminderungsziele zu verabschieden. Die entsprechende CSRD-Pflicht zum Bericht über solche Pläne soll also zu einer Pflicht zur Aufstellung solcher Pläne erstarken.
Durchgesetzt werden sollen die entsprechenden Verpflichtungen der Unternehmen durch vor allem durch (einzurichtende) nationale Aufsichtsbehörden, denen dafür „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Sanktionsinstrumente zur Verfügung stehen sollen (umsatzorientierte Bußgelder mit Publizität). Zudem sollen zivilrechtliche Haftungstatbestände eingeführt werden.
Abzuwarten bleibt allerdings, welche Regeln am Ende in die CSDDD aufgenommen werden. Das Europäische Parlament und der Rat der EU vertreten sehr unterschiedliche Sichtweisen. Während das Parlament sowohl den Anwendungsbereich als auch die Corporate Governance Pflichten nach einem ersten Zwischenbericht ausweiten möchte, hat sich der Rat bereits auf ein schrittweises Phasing-In der Regelungen und eine Streichung der Corporate Governance-Pflichten festgelegt.
Mehr hierzu gibt es auch von Dr. Bastian Brunk in dem Blog-Beitrag “Say on Climate – Darf die Hauptversammlung in Klimafragen überhaupt mitreden? “.
IV. Nachhaltigkeit der (variablen) Vorstandsvergütung
Vorstand und Aufsichtsrat haben gemäß § 162 AktG jährlich einen Vergütungsbericht zu erstellen, der insbesondere zu den gewährten variablen Vergütungsbestandteilen der einzelnen Organmitglieder Stellung nimmt und der Prüfung durch den Abschlussprüfer unterliegt. Vergütungssystem und -bericht börsennotierter Aktiengesellschaften sind gem. §§ 119 Abs. 1 Nr. 3, 120a AktG von der Hauptversammlung zu beschließen.
Gemäß § 87 (1) 2 AktG ist die Vergütungsstruktur börsennotierter Gesellschaften auf „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ auszurichten. Die wohl herrschende Meinung im Aktienrecht folgert aus dieser Formulierung bislang nicht, dass der Aufsichtsrat bei der Regelung der Vorstandsvergütung ESG-Belange zu berücksichtigen hat, obwohl der Rechtsausschuss die Einführung des Wortes „nachhaltig“ ausdrücklich mit der Erwartung verknüpft hat, dass der Aufsichtsrat danach auch „soziale und ökologische Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen hat“.
DCGK
Der neue DCGK übernimmt die gesetzliche Formulierung der „nachhaltigen und langfristigen Entwicklung der Gesellschaft“, schafft allerdings ein anderes begriffliches Framing, indem er Nachhaltigkeitsziele in der Corporate Governance verankert und von der bloßen Langfristigkeit absetzt. Bei den Empfehlungen zu „variablen Vergütung“ wird der Begriff der Nachhaltigkeit dann nicht mehr als relevant herangezogen, sodass bei Abstandnahme von einer variablen Nachhaltigkeitsvergütung hierüber nicht zu berichten sein dürfte.
Ausblick: CSDDD
Die E-CSDDD sieht eine Kopplung einer variablen Vergütung an die beschriebene Dekarbonisierungs-Strategie vor. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie die CSDDD hier konkret ausgestaltet sein wird. Während das EU-Parlament gegenwärtig dazu neigt, die variable Vergütung an alle ESG-Pflichten nach CSDDD zu koppeln, ist der Rat der EU bereits auf die Bremse getreten und fordert die Streichung jeglicher Kopplung.
V. Nachhaltigkeitsexpertise in Vorstand und Aufsichtsrat
Ausdrückliche gesetzliche Vorgaben zu Bestellung von Organmitgliedern lassen sich gegenwärtig im Bankensektor finden. Dort soll nach dem Entwurf des neuen Bankenpakets sichergestellt werden, dass das Leitungsorgan kollektiv über Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt, um die Risiken, inklusive ESG-Risiken, angemessen zu verstehen. Auch wenn derartige Vorgaben noch nicht allgemein für Unternehmen gelten, unterstreicht es doch, welche Bedeutung der ESG-Kompetenz auch auf Leitungsebene grundsätzlich beizumessen ist.
Zudem sind nach der CSRD zukünftig die Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten sowie ihres Fachwissens und ihrer Fähigkeiten zur Wahrnehmung dieser Rollen oder ihres Zugangs zu solchem Fachwissen und solchen Fähigkeiten zu beschreiben. Es bietet sich somit auch vor diesem Hintergrund an, durch geeignete Organisation und Personalauswahl sicherzustellen, dass über diese Punkte positiv berichtet werden kann.
Für den Aufsichtsrat wird neben den Anforderungen im DCGK und PCGK die Frage nach Einrichtung eines Nachhaltigkeitsausschusses neben Prüfungs- und ggf. Personalausschuss diskutiert. Insoweit fehlt es allerdings an einer normativen Grundlage.
-
Dr. Tobias de Raet Partner
-
Dr. Thomas Asmus Partner
-
Dr. Nils Christian Ipsen LL.M. Partner